Bipolare Störungen

Woran ist eine Bipolare Störung erkennbar?

Der Ausdruck „Himmel hoch jauchzend, zu Tode betrübt“ bezeichnet einen deutlichen Stimmungswechsel und wird nicht selten im Zusammenhang mit der Beschreibung Bipolarer Störungen verwendet. Begriffe, die man im Zusammenhang mit der hier gemeinten Erkrankung „Bipolare Störung“ benutzt, sind „bipolare Erkrankung, manisch-depressive Erkrankung, manisch-depressive Psychose oder Zyklothymie“. Die Bipolare Störung wird nur dann diagnostiziert, wenn im Laufe des Lebens eines Betroffenen sowohl depressive Episoden [siehe unter Depression] und Manien (oder Hypomanien) aufgetreten sind. Wenn sich ein Betroffener wegen einer Depression in ärztliche Behandlung begibt und der Arzt/die Ärztin fragt, ob man auch schon einmal Lebensphasen mit einer der Depression entgegen gesetzten Symptomatik hatte und er dies bejaht, so könnte eine bipolare Erkrankung vorliegen.

Mit der gegenteiligen Symptomatik (einer Manie oder Hypomanie) sind Syndrome gemeint mit Symptomen wie schnelleres Sprechen und schnelleres Denken, Gefühl der vermehrten Energie und Lebendigkeit, Antriebssteigerung, vermindertes Schlafbedürfnis, Euphorie (aber auch Gereiztheit), Ideenreichtum, vermehrte Kreativität aber auch in besonders ausgeprägter Form der Erkrankung Ideensprünge, Distanzlosigkeit zu anderen Menschen, übermäßige Heiterkeit oder auch unrealistische Gedanken. Bei einer Hypomanie sind die Symptome nur gering ausgeprägt, sodass eine Arbeitsfähigkeit in der Regel erhalten ist (Bipolar II-Störung), bei einer Manie ist die Arbeitsfähigkeit nicht mehr gegeben (Bipolar I-Störung). Typisch für die bipolare Erkrankung ist auch, dass der/die Betroffene in der (Hypo-) Manie insbesondere zu Beginn der Erkrankung keinerlei Krankheitseinsicht hat. Dies erschwert den Zugang zum Hilfesystem.


Wege aus der Bipolaren Erkrankung

1. Erkennen der Erkrankung und Vermittlung von Behandlungsmöglichkeiten

Die Erkrankung kann erstmals als solche diagnostiziert werden, wenn mindestens jeweils eine Erkrankungsphase beider „Polaritäten“ (manisch oder depressiv) aufgetreten ist. Oft fallen zunächst depressive Episoden auf, weil sich manch Betroffener in der Phase der Hypomanie oder Manie selbst gar nicht krank fühlt. Erst wenn eine deutliche Depression auftritt, gehen Betroffene zum Hausarzt, der auch primärer Ansprechpartner in diesen Fragen ist. Er überweist dann in der Regel zu einem Facharzt, der dann spätestens entscheiden sollte, ob eine ambulante Therapie ausreicht oder eine teilstationäre oder vollstationäre Behandlung notwendig ist.Geeignete Therapieverfahren sind insbesondere die medikamentöse Therapie, die Information der Betroffenen und Angehörigen über die Erkrankung (Psychoedukation) und unterstützende Psychotherapieverfahren. Bei der Auswahl weiterer Therapieverfahren ist insbesondere darauf zu achten, ob vorwiegend eine depressive, eine (hypo-)manische oder eine gemischte Symptomatik vorliegt (siehe 3. oder 4.)


2. Medikamentöse Behandlung mit Psychopharmaka, insbesondere Stimmungsstabilisierern

Der medikamentösen Behandlung kommt bei Bipolaren Störungen eine ganz besondere Bedeutung zu. Die Erfahrungen zeigen, dass Psychotherapie und -edukation insbesonderedann wirksam sind, wenn dies mit einer Einsicht in die Notwendigkeit der medikamentöse Behandlung verbunden ist. Stimmungsstabilisierer (Lithium, Antikonvulsiva und neuere Neuroleptika) sind insbesondere zur Vorbeugung weiterer depressiver und manischer Episoden geeignet. Antidepressiva werden manchmal zusätzlich in der depressiven Phase gegeben, in der Manie sind insbesondere stimmungsstabilisierende (antimanisch wirkende) Medikamente und dämpfende Substanzen wie Benzodiazepine sinnvoll. Die Behandlung ist also abhängig vom jeweiligen Zustandsbild. Es gibt aber auch sogenannte „gemischte Episoden“, bei denen zur gleichen Zeit Symptome der Depression als auch der Manien vorliegen. Diese Phasen werden insbesondere durch stimmungsstabilisierende Medikamente behandelt.


3. Behandlung der Depression

Die Behandlung der Depression erfordert ein ähnliches Vorgehen wie im Kapital Depression eschrieben. Insgesamt kommt allerdings der medikamentösen Therapie eine größere Bedeutung zu und die psychotherapeutische Basisbehandlung bezieht sich insbesondere auf das Erkennen und Behandeln akuter Belastungsfaktoren sowie potenzieller Risikofaktoren und Mitauslöser der Erkrankung. Tiefenpsychologische Vorgehensweisen sind hier im Gegensatz zu unter-stützender Psychotherapie weniger üblich.


4. Behandlung der Manie

Die leichte Form der Manie (Hypomanie) wird in der Regel nicht akut behandelt, weil sie selten mit enem Leidensdruck der Betroffenen verbunden ist. Eine solche Episode lässt sich allerdings durch stimmungsstabilisierende Medikamente positiv beeinflusst. Zudem sollen durch Psychoedukation Risikofaktoren für die Entstehung einer Manie vermieden werden. Auch in der manischen Phase kommt zunächst Medikamenten die wichtigste therapeutische Bedeutung zu. Dies wird unterstützt durch eine Abschirmung von äußeren Reizen, die die Manie verstärken können . Außerdem wird der Schlaf durch geeignete Maßnahmen gefördert.


5. Was kann die Erkrankung langfristig stabilisieren

An die Phasenprophylaxe denkt man schon in der Akutbehandlung. Hier ist es wiederum die geeignete medikamentöse Therapie der wichtigste stabilisierende Faktor. Sie ist oft über viele Jahre notwendig und muss evtl. im Verlauf angepasst werden, insbesondere wenn eine weitere Episode (trotz eines gewissen Schutzes) auftritt. Unterstützt wird diese Therapie in der Regel durch eine psychotherapeutische Begleitung, die meistens psychoinformative Elemente beinhaltet. Die Betroffenen lernen dabei, mögliche Auslösesituationen zu erkennen und Strategien zu nutzen, die eine erneute Episode in der Frühphase der Erkrankung zu erkennen und erfolgreich zu verhindern helfen.


6. Nachbehandlung

In der Nachbehandlung ist von zentraler Bedeutung, dass die Betroffenen gelernt haben, mögliche Auslösesituationen (z.B. wenig Schlaf) zu vermeiden, die ersten Anzeichen einer sich sich anbahnenden Episode rasch zu erkennen, um sich auch möglichst zeitnah vom Behandler beraten zu lassen. Auch das Knüpfen eines engen familiären oder sozialen Netzes elfen sehr, weil Betroffene selbst (insbesondere bei der Manie) nicht oder erst sehr spät die Veränderung wahrnehmen. Die frühe Einleitung oder Anpassung der Therapie ist aber für eine schnelle Symptombesserung essenziell.